Interview mit RInaldo HEck

Blogreihe:

Ein Unternehmer ist auch (Nur) ein Mensch

TEIL 1 – Von blutigen Nasen und blauen Augen

Wie die Anfangsjahre der HE-S Digital Management den Gründer Rinaldo Heck an seine Grenzen brachten


Das Unternehmen HE-S Digital Management wurde 2009 von SAP-Berater Rinaldo Heck gegründet. Heute schauen wir auf erste Erfolge, die teilweise auch vom Anfängerglück begünstigt wurden, und auf Misserfolge, die von einer gewissen kindlichen Naivität und Blauäugigkeit zeugen. Denn wie ein Kleinkind das Laufen lernen muss, musste Rinaldo Heck das Unternehmersein lernen. Es ist schließlich noch kein Unternehmer vom Himmel gefallen. Die Kundenerwartungen stiegen, erste Mitarbeitende und Auszubildende wurden eingestellt. Man kann diese Phase als „wildes“ Wachstum bezeichnen.

Herr Heck, Ihr Unternehmen wurde 2009 gegründet. Nicht viele Menschen trauten sich in dieser Zeit ein Unternehmen zu gründen, die Banken- und Wirtschaftskrise drückte die allgemeine Stimmung. Was war der Anlass für Sie, dennoch das Wagnis einzugehen? 

Interview mit Rinaldo Heck

Ich hatte das Glück von einem renommierten Fachbuch-Verlag ein Buchprojekt angeboten zu bekommen. Das reizte ungemein, mein Arbeitgeber fand das aber gar nicht so toll. Sie stellten mich vor die Wahl: Buch oder Mitarbeit. Ich entschied mich für das Buch. Während ich das Buch schrieb, überlegte ich, ob ich ins Angestelltenverhältnis zurück möchte – Jobs im SAP-Umfeld gab es auch damals mehr als genug – und ich fragte mich, ob ich eigentlich noch einen Chef haben möchte? Die Antwort war ein klares NEIN. Also gründete ich zunächst ein Beratungsunternehmen

Haben Sie sich professionellen Rat eingeholt, sprich: Wer waren die Geburtshelfer?

Natürlich stellte ich mir die Frage, wie komme ich als Neuling in einer Zeit von Wirtschaftskrise an Aufträge. Ich beantragte den Gründerzuschuss und nahm die Beratungsleistungen der Kammern in Anspruch. Dafür bin sehr dankbar, denn ich habe wirklich gute Tipps für den Start erhalten.

Interview mit Rinaldo Heck

Was war deren wichtigster Rat? Und haben Sie diesen beherzigt?

Interview mit Rinaldo Heck

Die Berater gaben mir den Tipp, viel Zeit in den Business-Plan zu investieren, mein Geschäftsmodell klar zu formulieren und bei dem Verkauf meiner Leistungen von einem Worst-Case-Szenario auszugehen. Sprich: Erst mal sehr defensiv zu planen. Typisch ist, dass Gründer erst mal zu euphorisch ihre Umsätze planen, und nach den Beratungen war mir klar: Du musst das realistisch sehen. So ging ich zunächst davon aus, dass ich lediglich 3 Tage pro Monat verkauft bekomme. 

Für welche Tätigkeiten haben Sie ihre ersten MitarbeiterInnen eingestellt?

Schon nach kurzer Zeit hatte ich Projekte akquiriert, die ich alleine nicht mehr stemmen konnte. Mit der Bundeswehr und eon waren Großkunden bei mir gelandet und ich brauchte dringend Unterstützung in den Projekten von Menschen mit SAP-Kenntnissen. Die Mitarbeitersuche gestaltete sich als Herausforderung, denn ich war nicht der Einzige am Markt, der qualifiziertes IT-Personal suchte und als Gründer konnte ich mit den Angeboten der Großen der Branche nicht so gut mithalten. Dennoch gelang es mir, Fachleute für mein Unternehmen zu begeistern. 

Interview mit Rinaldo Heck

Inwieweit war dies ein neues Gefühl als Unternehmer, Mitarbeiter zu führen?

Interview mit Rinaldo Heck

Als junger Unternehmer ging ich erst mal von mir aus. Heißt: ich war hochmotiviert und brachte viel Herzblut in mein Unternehmen ein. Blauäugig wie ich war, dachte ich, dass auch alle meine Mitarbeitenden mit dem gleichen Enthusiasmus an die Sache herangehen, dass deren Eigenmotivation und Ziele die gleichen sind wie meine. Da ich keine Ahnung von Mitarbeiterführung hatte, zahlte ich eine Menge Lehrgeld. 

Sie haben sich also bei Ihren ersten Gehversuchen als Chef auch mal eine blutige Nase geholt. 

Ja, mehr als eine! Ich hatte, wie gesagt, erwartet, dass meine Mitarbeitenden die gleiche Energie und Motivation an den Tag legen, wie ich selbst. Dass sie die Anforderungen des Kunden verstehen und 1:1 umsetzen können. Das war nicht immer der Fall, und ich musste gegenüber dem Auftraggeber öfters mal den Kopf hinhalten.

Manchmal dachte ich sogar, nur wenn ich eine Aufgabe selbst erledige, ist sie richtig gemacht und ich erwischte mich, eine Art von Kontroll-Freak zu werden. Nach und nach fühlte es sich so an, als würde ich mir selbst ständig Nadelstiche versetzen. Den Druck von Kunden und Banken reichte ich leider oft explosiv und ungefiltert an meine Leute durch. Da habe ich mich sicher auch im Ton vergriffen und es entstanden Reibereien im Team. 

Interview mit Rinaldo Heck

Die Zeit ist aber sicher auch von ersten Erfolgen gekennzeichnet. Haben Sie dafür ein Beispiel? 

Rinaldo Heck Interview

Wir bzw. ich bin als Integrationsspezialist für SAP– und Nicht-SAP-Anwendungen gestartet. Das heißt, Unternehmen, die SAP im Einsatz haben, brauchen in ihrer IT-Landschaft vielfach Anbindungen anderer Software an SAP. Doch schon nach kurzer Zeit waren wir auch in der Produktentwicklung tätig. Mit aconso hatte ich einen starken Partner gefunden, der seine Lösung für die Verwaltung von HR-Dokumenten an SAP anbinden wollte. Die von uns entwickelte Applikation läuft inzwischen bei mehr als 150 Unternehmen weltweit.

Ein zweites Beispiel fußt auf einer zufälligen Begegnung auf einer Messe: Für die Lohndatenübermittlung an den Schweizer Staat benötigte mein Kontakt ein Softwareprodukt. Die von uns entwickelte Lösung war dann von 2012 bis 2018 in rund 30 Unternehmen im Einsatz, bevor SAP eine ähnliche Funktion in ihr Leistungsspektrum aufnahm und somit unsere Lösung hinfällig war. 

Herr Heck, 2012 wuchs das Unternehmen rapide und Sie waren stets auf der Suche nach Mitarbeitenden. Für welche Aufgaben haben Sie Leute gesucht?

Mit dem Wachstum des Unternehmens suchte ich quasi in allen Bereichen nach MitarbeiterInnen: IT-Fachkräfte für die Entwicklung und die Einführung des Produktes für aconso und um die Bestandskunden zu betreuen, für die Verwaltung, fürs Marketing, u.v.m. Dabei hatte ich meine Hausaufgaben nur unzureichend gemacht: Ich achtete nicht ausreichend darauf, ob die Leute zu meinem Unternehmen passen und das Onboarding fiel zu knapp aus. Damit handelte ich mir einige Probleme ein. Auch lernte ich, dass nicht alle BewerberInnen im Erstgespräch ehrlich sind. Beides – mein Versagen und das Vorspielen falscher Tatsachen von den BewerberInnen – führte dazu, dass man sich öfters als mir lieb war, nach der Probezeit trennte. 

Interview mit Rinaldo Heck

Mit welcher Strategie haben Sie potenzielle Mitarbeitende angesprochen? Sprich: Wie haben Sie sich als Arbeitgeber in dieser Zeit positioniert?

Interview mit Rinaldo Heck

Der Arbeitsmarkt war auch schon damals eng. Neben klassischen Anzeigen versuchte ich auch über die Programme „Perspektive 50plus“ von der Agentur für Arbeit an qualifizierte Arbeitssuchende heranzutreten. Ich war Aussteller bei der Campus Careers der Hochschule in Aschaffenburg und ich habe dort die akademische Hochschulfeier gesponsert, um bei den AbgängerInnen als potenzieller Arbeitgeber in Erscheinung zu treten. Für das Thema Ausbildung habe ich unter anderem bei der Ausbildungsinitiative von primasonnstag mitgemacht und vieles mehr.

Generell habe ich seit Beginn meiner unternehmerischen Tätigkeit immer viel Wert daraufgelegt, junge Menschen die Möglichkeit einer Ausbildung zu geben. Ob IT-Fachinformatiker oder Kauffrau/-mann im Büromanagement – bei HE-S sind von jeher Auszubildende ein wichtiger Bestandteil der Belegschaft.

Unternehmen, die schnell wachsen, haben oft das Problem, dass die Strukturen nicht schnell genug mitwachsen. Wie war das bei Ihnen? 

Katastrophal. Im Umfeld sehen die Menschen nur den Erfolg des jungen, wachsenden Unternehmens und klopfen dir auf die Schulter. Die Versuchung ist groß, sich selbst zu überschätzen. Doch mir war schnell bewusst: Erst wenn ich mal einige Jahre am Markt bin, habe ich es geschafft. Noch waren zu viele Unwägbarkeiten da.

Als wir 2012 15 Mitarbeitende waren versuchte ich das Unternehmen neu zu strukturieren. Aber nur ein Organigramm mit Abteilungen zu zeichnen, hilft da wenig. Die Kommunikationswege waren nicht klar und eingespielt, und auch einheitliche Führungsleitlinien mussten erst entstehen. In der Zeit gab es viele Missverständnisse und damit auch Frustration. Die Reibereien führten dazu, dass uns Ende 2012 irgendwie die Luft ausging. Fast wären wir daran gescheitert.   

Rinaldo Heck im Interview

Wie haben Sie versucht, das abzustellen? Mit welchem Erfolg?

Rinaldo Heck im Interview

Ich habe eine Menge Führungsratgeber gelesen und Führungstrainings absolviert. In der Theorie klingt vieles gut und nachvollziehbar und daher habe ich das auch so durchgeführt. In der Praxis stellte sich aber nicht jeder Tipp als richtig dar. Und so habe ich mir auch hier immer mal wieder eine blutige Nase und ein blaues Auge eingefangen. 

Inwieweit würden Sie sagen, haben Sie Fehler im Umgang mit Mitarbeitenden gemacht? Fühlten Sie sich manchmal unverstanden? 

Ich bin mit der Firma emotional tief verankert und will und wollte immer, dass das Team im Glanz dasteht. Meine hohen Ansprüche habe ich dabei auf die Mitarbeitenden transportiert und wenn dann etwas nicht geklappt hat, war ich wütend und bin mit harschen Worten explodiert. Ganz besonders trifft mich, wenn ich in dem Menschen mehr Potenzial sehe als sie selbst und sie dann meine Erwartungen nicht erfüllen.

Als Chef wird man dann auch nach und nach vom Team ausgeschlossen, man hat eine andere Rolle und das ist auch normal. Das musste ich erst lernen zu akzeptieren. 

Kopie von Kopie von Design ohne Titel (4)


Fazit

In den Gründungsjahren hat Rinaldo Heck viel über das Unternehmersein gelernt: Über die Vorteile des völlig frei entscheiden Könnens, aber auch über die Risiken und Herausforderungen, für sich und andere Menschen verantwortlich zu sein. Seien Sie gespannt, wie es in der nächsten Folge weitergeht, in der Rinaldo Heck im Business Erlebnisse hat, die gelegentlich an ein „Pubertier“ erinnern.


Dieses Interview wurde geführt von Katja Leimeister. Herzlichen Dank!